Wir haben mehr als wir tragen können – und brauchen fast nichts davon

Als ich vor einigen Jahren meine Wohnung aufgelöst habe, um auf Reisen zu gehen, habe ich so einiges eingelagert.

Ich dachte, wenn ich wiederkomme brauche ich ja auch wieder Möbel und Kleidung. Warum also alles weggeben? Nur um es dann neu zu kaufen.

Nun stellt sich heraus, dass ich so schnell in keine Wohnung mehr einziehen werden.

Zeit auszumisten.

Und was soll ich sagen? Es war eine harte Woche.

Würde ich heute wieder in eine Wohnung einziehen, würde ich mir keine neuen Möbel mehr kaufen, weil ich weiß, was die Leute alles wegwerfen.

Wie viele noch brauchbare Sofas, Küchen, Schränke weggegeben werden – da reicht ein Blick in die Kleinanzeigen.

Ausmisten

Ich wäre froh, hätte ich mich damals schon von all den großen und sperrigen Dingen getrennt.

Von all den Klamotten, die die meiste Zeit ungetragen im Schrank liegen.

Von den Büchern, die ausgelesen im Regal stehen.

Von Küchengeräte, die ich meistens nicht benutze.

Faszinierend – wie sehr wir doch an Dingen hängen, die wir gar nicht brauchen.

Wir haben so viel und brauchen so wenig

Warum?

Weil wir die Angewohnheit haben Dinge mit Sinn aufzuladen.

Wir kaufen Dinge, um uns wohl zu fühlen. Um andere zu beeindrucken. Aus Langeweile. Um eine innere Leere zu füllen. Um Stress zu kompensieren. Um uns zu belohnen. Oder weil wir denken, dass es sich auf einem neuem Sofa besser sitzt. Die wenigsten dieser Dinge brauchen wir wirklich.

Und wir hängen unser Herz an Dinge, weil sie für uns etwas symbolisieren. Weil wir sie mit unseren Erinnerungen verbinden.

Mit dem Sofa zum Beispiel haben wir schöne, glückliche, schlechte und unglückliche Zeiten erlebt.

Wir haben mit Freunden Zeit darauf verbracht, Bücher darauf gelesen, gelacht und geweint. Das Sofa wird zu einem Teil von uns. Wir sehen es irgendwann nicht mehr als Ding, sondern als Freund mit dem wir eine bestimmte Zeit unseres Lebens verbracht haben. Wie können wir so einen guten Freund einfach aus unserem Leben verschwinden lassen?

Ich glaube, dass es uns deshalb so schwer fällt, uns von Dingen zu trennen. Was meinst du?

Letztendlich habe ich das Sofa verschenkt. Das fiel mir nicht leicht.

Doch jetzt, wo es weg ist, fühle ich mich erleichtert.

Und obwohl das Sofa nun fort ist, sind die Erinnerungen noch da. Sie hingen gar nicht an dem Sofa. In meinen Erinnerungen gibt es das Sofa noch. Und das reicht mir.

Es bringt nichts, sein Herz an Dinge zu hängen

Denn die Dinge können damit nichts anfangen. Sie belasten uns oft mehr, als sie uns gut tun.

Trotzdem finde ich es genauso wichtig Dingen einen Wert zu geben.

Wir leben in einer Zeit, in der Dinge kommen und gehen. Es wird weggeschmissen, was eigentlich noch zu gebrauchen wäre. Oftmals trennen wir uns zu früh und meistens besitzen wir zu viel.

Weil wir alles haben wollen. Der bloße Besitz von Sachen, auch wenn wir sie gar nicht wirklich brauchen, beglückt uns. Sie füllen eine Leere, sie erfüllen ein Bedürfnis. Wir wollen immer mehr haben, können uns von den alten Sachen aber nicht trennen.

Was dazu führt, dass wir voll sind.

Und gleichzeitig leer.

Die Dinge geben uns nicht, was wir eigentlich brauchen. Und anstatt darüber nachzudenken, wie wir die Leere füllen könnten, kaufen wir mehr.

Bis wir nicht mehr wissen wohin mit dem Kram.

Da wir so viel besitzen haben die Dinge keinen Wert mehr für uns.

Es ist schon paradox. Unser Verhältnis zu den Dingen.

Einerseits hängen wir an ihnen wie an Freunden und können uns nicht trennen. Andererseits kaufen wir immer mehr Dinge, bis sie keinen Wert mehr für uns haben.

Dinge mit Sinn aufzuladen und zu viele Dinge zu besitzen tut uns nicht gut.

Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?

Während meiner Radreisen habe ich erfahren, wie wenig Dinge ich benötige.

[tie_list type=“starlist“]

  • Ein Fahrrad.
  • Packtaschen mit Zelt, Isomatte und Schlafsack.
  • Einen Kocher, einen Topf, Teller und Besteck. Einen Becher.
  • Behälter für Wasser und Lebensmittel.
  • Seife und Medizin.
  • Was zu lesen und was zum Schreiben.
  • Lieblingsmusik.
  • Kleidung, die ich trage und Kleidung zum Wechseln.
  • Und Werkzeug, um kaputte Dinge zu reparieren, damit ich sie nicht neu kaufen muss.

[/tie_list]

Das Fahrrad wird zum Auto. Das Zelt zum Haus. Die Packtaschen zu Schränken, Kommoden und Regalen – für mehr Dinge als wir je brauchen werden.

Ist es wirklich sinnvoll mehr Dinge zu besitzen, als wir tragen können?

Mit weniger Klamotten, weniger Hausrat, weniger Elektronik bräuchten wir weniger Schränke.

Hätten mehr Platz für uns selbst.

Könnten in kleinere Wohnungen umziehen, die günstiger sind. Bräuchten nicht mehr so viel Geld verdienen. Könnten weniger arbeiten. Hätten mehr Zeit.

Die wenigen Dinge, die wir dann noch haben, wären wertvoller für uns, weil sie einzigartig sind.

Weil sie für etwas gut sind und einen wichtigen Zweck erfüllen.

Wir würden sie reparieren, wenn sie kaputt gehen.

Da wir nicht mehr so viele Dinge hätten, könnten wir uns höherwertige Produkte kaufen, die weniger oft kaputt gehen und repariert werden können.

Dinge sind wie Anker.

Dinge binden unsere Seele, unsere Gedanken und vor allem unsere Zeit.

Wir müssen arbeiten, um sie kaufen zu können. Wir brauchen Raum, um sie lagern zu können. Für den Raum müssen wir arbeiten, um ihn bezahlen zu können.

Arbeiten kostet Zeit.

Lebenszeit.

Was wäre, wenn wir nicht mehr kaufen würden?

Was wäre, wenn wir nur noch Dinge hätten, die wir wirklich brauchen?

Wir bräuchten weniger Geld.

Wir bräuchten nicht mehr so viel zu arbeiten.

Wir hätten mehr Platz für uns selbst.

Wir hätten mehr Zeit.

Zeit zu leben.

Wie viele Dinge hast du, die du gar nicht wirklich brauchst?

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Kommentare zum Beitrag

24 Gedanken zu „Wir haben mehr als wir tragen können – und brauchen fast nichts davon“

  1. Sehr gut geschrieben und absolut zutreffend. Stehe nämlich auch gerade an dem Punkt wo ich „ausmiste“. Dachte erst ich lager viel ein aber habe mich jetzt dazu entschieden alles wegzugeben und ein komplett neues Leben anzufangen.

    Antworten
  2. Ich hatte es an anderer Stelle schon berichtet. Als ich „Solist“ vor nicht allzu langer Zeit in meinen LKW zog, bestand bei 17m2 reiner Wohnfläche kein wirklich grosser Druck, auf sehr vieles zu verzichten. Doch irgendwie widerstrebte es mir sehr, auch all das einzuräumen und mit in das neue Leben zu nehmen, was ich im alten Leben tatsächlich nur selten oder nie benutzt hatte – also „erlebtermassen“ nicht wirklich brauchte. So überschlug ich bei einem Glas Rotwein an einem lauen Abend großzügig, wieviele Dinge t a t s ä c h l i c h für mich unverzichtbar waren. Zunächst nicht wirklich wenige, wie es schien, aber doch deutlich unter 200. Kleidung.. Bettwäsche.. Besteck und Geschirr für fiktive 5 Personen.. Körperpflege.. Notebook.. Papier für den Drucker.. Einmachgläser etc. usw. So setzte ich mein Limit auf eher großzügige 200 Gegenstände und verpflichtete mich zugleich, bei der „Selektion“ einen jeden davon nur einmal in die Hände zu nehmen. Kein „das muss ch mir noch überlegen“, verboten jedes „mal sehen“ oder „ich weiss nicht recht“. MIT oder WEG, das wurde an einem Tag entschieden. Kein Aufschub, keine Berufung, und auch keine Revision nach 3 Tagen! Dass dabei auch meine Uhren unter das WEG fielen, freute einige meiner Freunde, verschuf mir selbst aber mit das größte Stück an Freiheit, denn seither gibt es für mich nur noch 7 Zeiten: Früher oder späten Vormittag, Nachmittag oder Abend – und danach. Inzwischen sind es auch höchstens noch 150 Dinge, auf die ich nicht verzichten möchte oder glaube zu können. Und ich wüßte nichts, das ich vermissen würde.

    Antworten
    • Hallo Michael!

      Danke für deine Worte.

      Ich habe immer noch nicht durchgezählt, wie viele Dinge es bei mir sind. 46 Kleidungsstücke habe ich letztens gezählt. Über alles andere habe ich keinen Überblick. Werde ich mal machen. Interessiert mich irgendwie sehr. Obwohhl die tatsächliche Anzahl vielleicht gar nicht so wichtig ist. Wichtiger finde ich, dass ich nur habe, was ich wirklich brauche und nicht mehr. Toll, dass du das geschafft hast.

      Viele Grüße

      Steffi

      Antworten
  3. Ich habe vor 10 Jahren meine Wohnung aufgelöst und bin abgefahren.
    9 Kartons habe ich eingelagert, und sie diese Woche abgeholt.
    Ich bin direkt zur Müllkippe gefahren und habe 7 Kartons gleich dort gelassen.
    Es waren schöne 2 Stunden in denen ich noch mal alles in Händen hielt, was mal einen Wert für mich darstellte.
    Und es war schöner sie wegzuschmeissen.
    Gestern habe ich mich mit einer Freundin über den vorletzten Karton gemacht und es war wieder toll in Erinnerungen zu schwelgen. Morgen kommt der letzte dran.
    Loslassen bedeutet Platz für Neues.

    Antworten
  4. Ich habe das Gefühl, dass Dinge mich festhalten, in alten Zeiten oder alten Rollen, die ich so nicht mehr leben will. Wenn es dann so weit ist, dass mir meine eigene Veränderung auch wirklich bewusst wird, dann fällt mir das Loslassen leicht und ist im wahrsten Sinne des Wortes auch eine Erleichterung :-)

    Antworten
  5. Ich habe ein Jahr lang nur aus einem Koffer gelebt. Und nun schon länger wieder in der Heimat. Aber viel mehr als einen Koffer und etliche Bücher kann ich echt nicht als mein Eigen nennen. Und ich bin durchaus zufrieden.
    Immer wieder „träumt“ man von einer größeren Wohnung oder gar einem ganzen Haus doch oft begreift man wieder wie wenig man im Leben braucht.
    Wie auch Ralf schon sagte Produzieren wir oft zu Viel oder schmeißen vieles weg, dass wir nicht mehr recyclen können. Wir sollten uns mehr Gedanken darüber machen was wir uns kaufen und warum. Genauso sollten wir bewusster mit Lebensmitteln umgehen.

    Liebe Grüße

    Antworten
    • Wenn ich im Ausland bin reise ich meist mit nem Handgepäckskoffer. Monatelang und ich liebe es.
      In Europa bin ich im T4 zuhause und bin immer wieder geflasht wieviel ich darin habe. Es dauert dann immer eine Weile bis ich einsehe das ich das wirklich brauche. Meist wird mir das klar bei der ersten Reparatur. Aber ich sehe es auch als Entwicklung und regelmässig tauche ich ab in meinen Verstecken und suche nach Dingen, die sich eingeschlichen haben. Ich habe mit alles auf einmal weggeben versucht. Das scheitert immer dann, wenn ich den Dingen noch einen Wert zuweise. Dann such ich jemanden der es besser gebrauchen kann oder behalte es.
      Am schönste ist es wenn jemand sagt, dass … gefällt mir, und ich es dann weggebe mit den Worten viel Spaß damit. Die Leute sind dann immer erstaunt, dabei sollte weitergeben doch natürlich sein. Ohne kommt der Fluss ins stocken. Übrigens ich überwinter dieses Jahr in Portugal. Vielleicht sieht man sich.

      Antworten
  6. wir sind gerade am entrümpeln, haben das haus verkauft. in einer woche bekommen wir unser womo und dann gehts los. von einfamilienhaus auf 3,5 t muss schon vieles fort, es fällt täglich leichter loszulassen, wir freuen uns und kriegen ja so viel zurück.. nichts mit gewicht in kilos aber an gewicht von tollen erfahrungen, erlebnisen, erinnerungen , landschaften und begegnungen.

    Antworten
  7. Der ersten Intuition folgen möchte man einen Container bestellen und seine sperrige Dinge hineinwerfen.

    Aber ist die Freiheit gewissen Dinge nicht zu besitzen nicht auch eine Isolation von Gesellschaft? Nimm der mehr Platz für sich selbst, damit den Platz für Andere?

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