Mit dem Fahrrad unterwegs auf dem Jakobsweg

Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg – von Ulm nach Santiago de Compostela! Ich freue mich sehr über diesen Gastartikel von Christian Berktold, der gemeinsam mit seiner Frau Gabi auf Pilgerreise war:

2015 waren wir mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg, auf der Nordroute unterwegs.

Wir, das sind Gabi (52) und Christian (51), seit 2012 glücklich verheiratet und selbst nach dem langen gemeinsamen Weg zu uns selbst immer noch glücklich zusammen.

Soll ja schließlich auch Paare geben, die sich nach einem gemeinsamen Trip auf dem Camino getrennt haben. Wir jedenfalls haben unsere Radreise absolut genossen. 10 Wochen waren wir unterwegs, haben knapp 3.000 Kilometer und 45.000 Höhenmeter hinter uns gebracht, versüßt mit 15 Plattfüßen und Verschleiß von 4 Satz Bremsbelägen. Heimgekehrt sind wir wie neue Menschen, gestärkt, in sich ruhend mit 1.000 Erkenntnissen und endlich wieder dem Gefühl, das Leben zu spüren. Was für eine wundervolle Reise! Doch darüber später.

Vielleicht erst noch ein paar Worte zu uns selbst.

Wir sind große Fans von alten Wohnbussen und haben uns fest vorgenommen, irgendwann einmal nur noch in unserem Oldtimerbus mobil zu leben, am liebsten in Spanien, irgendwo am Atlantik. Ja, ja, so nachhaltig kann der Camino sein…

Und was machen wir sonst noch, wenn wir nicht gerade auf dem Jakobsweg oder mit dem Bus unterwegs sind?

Gabi ist als Kinder- und Jugendbuchautorin tätig, schreibt aber auch im Bereich Spiritualität und Lebensberatung. Christian arbeitet ebenfalls als Autor, Vortragsreferent für biologisch gereinigte Schwimmteiche und beschäftigt sich mit Online-Gartenplanungen.

Warum haben wir uns für eine Fahrradreise auf dem Jakobsweg entschlossen?

Der Ruf des Camino erreichte uns inmitten einer schwierigen Lebensphase. Wir gaben aufgrund gesundheitlicher Probleme unsere Firma auf und befanden uns am Rande eines Burnouts. Wir mussten raus aus dem Alltag, um wieder zur Ruhe zu finden, und so beschlossen wir, uns eine Auszeit zu nehmen und völlig untrainiert 3.000 km Jakobsweg in Angriff zu nehmen.

Unsere Tour führte uns von Ulm/Deutschland aus an den Bodensee, durch die Schweiz und Frankreich bis Biarritz. Von dort ab über Irun in Spanien auf dem Camino del Norte an der wunderschönen Küste entlang bis Ribadeo, dann die letzte Strecke durch das Landesinnere nach Santiago de Compostela und letztendlich, dann allerdings mit dem Bus, nach Finisterre, ans „Ende der Welt“.

Reisebericht: Mit dem Fahrrad unterwegs auf dem Jakobsweg

Wir haben jeden einzelnen Moment genossen, selbst jene Tage, an denen wir am Abend fix und fertig waren. Dies war vor allem in der ersten Woche extrem, da wir uns ja mit null Kondition und viel Gepäck auf den Weg gemacht haben.

Jeweils 34 kg hatten wir auf unseren Gepäckträgern, man darf dabei jedoch nicht vergessen, dass wir sehr viel technischen Kram mitgeschleppt haben. Mehrere Digitalcameras, Laptop, Solarzellen … Schließlich wollten wir von allem möglichst unabhängig sein, einschließlich von Strom aus der Steckdose. Da wir vorhatten, unseren Reiseblog auf dem Laufenden zu halten, sowie auch tausende Bilder auslagern wollten, war der Laptop und zwei externe Festplatten für uns ein absolutes Muss.

Auf dieses ganze technische Gedöns kann man aber mit Sicherheit – mit Ausnahme einer Digicam – verzichten! Also merke:

Man muss NICHT das halbe Büro mitschleppen!

Weniger ist mehr!

Jedenfalls haben wir unser Gepäck in der Schweiz um jeweils 2 kg erleichtert und für viel Geld das überflüssige Zeug nach Hause geschickt. Klingt zwar prima, 2 kg weniger pro Mann, aber da das Gepäck aufs Rad gepackt war, merkten wir kaum eine Veränderung, außer dass unsere Schlafsäcke plötzlich in einer Seitentasche noch Platz fanden.

Ach ja, die Schweiz …eine wunderschöne Gegend, aber noch schöner fanden wir es in Frankreich, zumindest, wenn wir nicht auf der Nationalstraße entlangradeln mussten. Das war schrecklich! Und hier schon gleich der zweite Merksatz:

Wenn du es irgendwie vermeiden kannst, fahre keinesfalls mit dem Rad auf der französischen Nationalstraße, es sei denn, du hast Nerven wie Stahlseile und es juckt dich nicht, wenn LKWs, Omnibusse und PKWs in einem rücksichtslosen Abstand von manchmal nur 40 cm an dir vorbeibrettern!

Dafür wurden wir mit traumhaften Radwegen entlang des Canal du Midi, der Garonne und der Tarn entschädigt. Wir haben selten so ein saftiges Grün und eine anscheinend gesunde Vegetation gesehen.

Unvergessen bleibt für uns auch der Moment, als wir nach 2.000 km bei Biarritz endlich den Atlantik vor uns sahen. Überwältigend und großartig begrüßte uns das stahlblaue Meer, das uns alle Sinne öffnete, und wir freuten uns unglaublich darüber, dass wir jetzt einige Tage an der Küste auf dem Camino de la Costa entlangfahren würden und stets diesen gigantischen Ausblick vor Augen haben durften.

Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg pilgern: Biarritz
Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg pilgern: Biarritz

Wunderschön war auch der Camino del Norte von Ribadeo nach Arzúa. Wir tauchten hier ein in ein ganz ursprüngliches Spanien. Mystische Orte, Magische Begebenheiten und die Übernachtung in einem verlassenen Dorf ließen unsere Herzen höherschlagen. Dieser Weg … ein Traum.

In Santiago de Compostela angekommen, war unser erstes Ziel natürlich der Praza do Obradoiro, der Platz vor der Kathedrale, an dem sich zu jeder Tages- und Nachtzeit scharenweise die ankommenden Jakobspilger aus aller Welt einfinden. Deren Emotionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, von Himmel-hoch-jauchzend bis zu Tode-betrübt, waren für uns fühlbar. Wir sahen Pilger, die still in sich gekehrt ihren Blick in die Unendlichkeit schickten, aber auch andere, die lautstarke Freudentänze aufführten.

Sehr beeindruckt waren wir jedoch auch von der barocken Kathedralenfassade und den aus Granit erstellten Bauwerken rund um diesen weitflächigen, quadratischen Platz herum.

Die Stadt Santiago de Compostela hat in keinster Weise Museumscharakter, wie man vielleicht vermuten würde. Diese Stadt ist quirlig, voller Leben, mit einer bunten Mischung aus Pilgern, Touristen, Studenten, Straßenmusikern, Künstlern und natürlich auch Einheimischen. Wir haben uns dort sehr wohlgefühlt. Und dennoch … Eines wollte in uns nicht so recht aufkommen, nämlich das Gefühl, angekommen zu sein.

Wir haben uns zwei Tage später dann mit dem Bus auf den Weg ans Kap Finisterre gemacht, wo wir dann tatsächlich spürten, am Ende unserer Reise angelangt zu sein.
Lange saßen wir auf den Klippen, den tosenden Atlantik vor Augen und konnten hier unsere alltäglichen Sorgen in Form eines mitgebrachten Steines im Meer versenken, um frei von Sorgen und Problemen aus früheren Zeiten von unserer wunderbaren Tour nach Hause zurückzukehren.

Reiseplanung: Mit dem Fahrrad unterwegs auf dem Jakobsweg

Um diesen Traum zu verwirklichen hatten wir uns folgendermaßen vorbereitet:

Wir haben uns zwei Stevens Taniwha Mountainbikes gekauft, von denen wir überzeugt waren, dass sie unseren Ansprüchen genügen würden (haben sie auch!)

Diese Räder haben wir aufgerüstet mit:

  • Rückspiegel
  • Gepäckträger
  • Lenkertasche
  • Stabile Kette
  • Rutschfeste Pedale
  • Glocke
  • Klemmleuchten

Zur Sicherheit hatten wir mit:

  • 3 Luftschläuche
  • 1 Mantel
  • Luftpumpe
  • genügend Flickzeug (sehr sehr wichtig!)
  • 1 Satz Fahrradwerkzeug

An Gepäck hatten wir dreiteilige Fahrradtaschen auf dem Gepäckträger, wobei die obere Tasche in einen Rucksack wandelbar war, was sich als Vorteil erwies.

Unsere Packliste sah für jeden von uns in etwa aus, wie folgt, und ich glaube, dass dies schon minimalisiert ist, vielleicht mit Ausnahme der Cafetera und des Gaskochers. Das braucht man nicht wirklich, wir, als alte Kaffetanten, allerdings schon :D

  • 3 T-Shirts
  • 2 Radhosen kurz
  • 1 Radhose/Zipphose lang
  • 3x Slip
  • 3x BH
  • 1 Langarmshirt
  • 1 Regenjacke
  • 1 Microfaserhandtuch
  • 1 Paar Gummilatschen
  • 1 Paar Schuhe (wir haben die gesamte Strecke in Trekkingsandalen hinter uns gebracht)
  • Haarbürste
  • Zahnbürste
  • Nagelzwicker
  • 1 Radhelm
  • 2 Radflaschen
  • 1 Cafetera
  • 1 Satz Besteck (Messer, Gabel, Esslöffel)
  • 1 Gaskocher
  • 1 Schlafsack
  • 1 aufblasbare ISO-Matte
  • und letztendlich 1 Dreimannzelt, damit wir genügend Platz hatten, unser Gepäck nachts mit hineinzunehmen

Hygieneartikel

  • 2in1 Dusche/Shampoo
  • Zahnpasta
  • Slipeinlagen oder/und Tampons bei Bedarf
  • Sonnencreme
  • Notfallapotheke
  • Etwas gegen Durchfall/Verstopfung
  • Schmerztabletten
  • Kreislaufmittel
  • Pflaster
  • Pille bei Bedarf
  • persönliche Medikamente, wenn notwendig
  • Kleine Schere

An Zusatzausrüstung hatten wir dabei

  • Laptop
  • 2 externe Festplatten, um unsere Filme und Fotos zu sichern
  • 2 Solarpanels für den mobilen Einsatz
  • 2 Navigationsgeräte (wovon wir jedoch nur eines nutzten)
  • Handy
  • Spiegelreflexkamera
  • Lumix-Digitalkamera
  • 2x Gopro Hero4BE
  • Gimble für Gopro
  • 2x Powerbank Akkus
  • und für alles die entsprechenden Kabel

Letztendlich würde ich aber sagen, dass aus letzterer Liste alles bis auf das Handy, Digicams und Navi, sowie 1 Powerbank zu Hause bleiben kann.

Tja, und auf keinen Fall sollten nachfolgende Dinge fehlen

  • Personalausweis
  • Impfausweis
  • Krankenkarte und/oder Auslandkrankenschein
  • Bankkarte
  • Geld
  • praktisch auch eine Auslands Prepaid-Karte
  • Ach ja, und vor dem Start mal eben noch die Tetanus-Impfung auffrischen lassen, kann auch nicht schaden

Reisetipps: Mit dem Fahrrad unterwegs auf dem Jakobsweg

Okay, was gibt es sonst noch zu sagen …

… Wir sind ja von zu Hause aus mit dem Rad gestartet, von daher mussten wir für den Hinweg weder Zug noch Flugzeug in Anspruch nehmen. Zurück sind wir ab Santiago de Compostela geflogen, nachdem wir unsere Räder samt Gepäck und Zelt (bis auf die Rucksacktaschen) vorab mit einer Spedition nach Hause geschickt haben. Hierzu bietet sich das Pilgerbüro direkt in Santiago an, das den Rücktransport völlig stressfrei organisiert.

Bis auf wenige Male haben wir ausschließlich im Zelt übernachtet und waren somit unabhängig davon, ob Herbergen überfüllt oder leer waren. Natürlich haben wir, wann immer es uns möglich war, auf einem Campingplatz unser Zelt aufgebaut, und wenn dies nicht möglich war, haben wir uns bemüht, jemanden um Erlaubnis zu fragen, ob wir hier oder da übernachten dürfen. War keiner in der Nähe, haben wir uns einen Platz gesucht, an dem wir nicht gleich gesehen wurden, bzw. wo wir niemanden störten. Wir hatten auch niemals Probleme mit dem Wildcampen und es steht wohl außer Frage, dass wir unsere Plätze stets wieder so verlassen haben, wie wir sie angetroffen haben.

Alles in allem haben wir ausschließlich freundliche Menschen kennengelernt, die allesamt sehr hilfsbereit waren. Sie haben für uns gedolmetscht (wir konnten weder Spanisch noch Französisch), haben uns mit Händen und Füßen wieder auf den richtigen Weg gebracht, wenn wir uns verfahren hatten oder nicht weiter wussten, sind vor uns hergelaufen oder auch kilometerweit mit dem Auto vor uns hergefahren, damit wir jeweils unser Ziel erreichten … sehr, sehr schöne, menschliche Erfahrungen, die wir auf unserer Reise erleben durften.

Kurzum, wir hatten eine traumhafte Reise, die uns noch mehr miteinander verbunden hat, eine Tour, die wir jederzeit wiederholen würden und die wir jedem, der sein Leben überdenken möchte, der eine Auszeit braucht oder der einfach auch nur eine wundervolle Landschaft und gesunde Natur genießen möchte, guten Gewissens ans Herz legen können.

http://www.visionbakery.com/ultreia-buch

Zum Schluss möchte ich gerne noch erwähnen, dass wir über unsere ganz persönlichen Erkenntnisse auf dem Jakobsweg ein Buch geschrieben haben, welches wir über Crowdfunding finanzieren möchten. Gleichermaßen soll eine Vortrags-DVD zum gleichen Thema produziert werden. Schaut doch einfach mal vorbei … über Unterstützer würden wir uns sehr freuen!

Und du?

Hat dir dieser Bericht gefallen?

Bist du auch schon auf dem Jakobsweg gepilgert, oder würdest es gerne mal?

Hast du Fragen an Gabi und Christian?

Schreibe jetzt einen Kommentar!

Dir gefällt dieser Beitrag?

Dann unterstütze uns und teile ihn mit deinen Freunden oder sende eine Anerkennung via Pay Pal:

Das könnte dich auch interessieren

Portugal: Was für ein schönes Leben!

Auf einem der Schornsteine auf dem Hof gegenüber hat sich übrigens ein Storchenpaar ein Nest gebaut. Im Moment stehen sie dort oben – Seite an Seite – und es sieht so aus, als würden auch sie den Ausblick, die Weite und die Einsamkeit genießen. Und auch die Zweisamkeit. Minutenlang klappern sie um die Wette. Was für ein schönes Leben!

808080 Afrika Botswana Bulgarien Deutschland Digitale Nomaden England Frankreich freeassange Georgien Griechenland Indien Kroatien Kuba Kurzhauber Lifestyle Lucy Marokko Portugal Ratgeber Reisefahrzeug Rumänien Russland Schweden Slowakai Spanien Thailand Tschechien Türkei Ungarn

Folge uns

Kommentare zum Beitrag

8 Gedanken zu „Mit dem Fahrrad unterwegs auf dem Jakobsweg“

  1. Hallo, würde mich für euer Buch interessieren, is da die Reise beschrieben, wir planen für nächste Jahr von Miltenberg aux den jakobsweg mit dem Rad zu fahren
    Danke
    Grüße Sabine

    Antworten
  2. Servus ,euer reisebericht war sehr interessant ich hätte trotzdem 2 fragen..1.wieviel kostet ca ein zeltplatz mit duschen und steckdose ( akku für e- bike) frankreich spanien.2 der rücktransport gepäck e- bike usw, ist der erschwinglich.Santiago-Regensburg

    Antworten
  3. Hallo ihr Beiden.
    bin heute durch Zufall auf diese Seite gekommen und habe Euren Bericht gelesen. Ich selbst, heute 73 Lenze jung, bin per Rad 2015 – 2016 – 2018 als Lebens-Danke-Wallfahrt auf drei Etappen auf dem http://www.jerusalemway.org bis nach Jerusalem gepilgert. Da dieser aber in Finesterre beginnt (wo der Jakobsweg endet), bin ich voriges Jahr auch noch das beginnende Stück geradelt, vom Ende der Welt bis in meine Heimatstadt Weißenhorn. Von diesem Abschnitt berichte ich in den nächsten Tagen mit einem Bildervortrag. Laut meinen Jerusalemweg-Freunden bin ich wohl der erste, der den kompletten Weg geradelt ist.

    Antworten
  4. Hallo ihr Zwei,
    sehr schöner Bericht und sofort bekomme ich Sehnsucht nach dem Camino. Ich selbst war 2017 mit dem MTB von Valencia bis Santiago unterwegs und in 2018 zu Fuß von Porto bis Santiago.
    Fest seht für mich, dass in 2021 nochmals dort sein werde. Bin mir nur nicht klar wie; zu Fuß oder mit Rad. Uns eins ist auch sicher, zweimal dort und zweimal viel zu viel Gepäck. Wenn ich eure Gewichte lese wird mir fast schlecht.
    Liebe Grüße aus dem Allgäu
    Johannes

    Antworten

Schreibe einen Kommentar