Wir haben nichts zu verlieren – außer unserer Angst

Als ich vor Jahren den Entschluss gefasst hatte, meinen Job für eine Langzeitreise zu kündigen, hatte ich ein Gespräch mit meiner Tante.

Wir hatten uns zum Spazieren gehen in einem Park verabredet. Aber es regnete und wir saßen in ihrem Auto auf einem Parkplatz und warteten auf die Sonne.

Ich habe ihr von meinen Gründen für die Reise erzählt.

Davon, dass mir meine Arbeit und das ganze Drumherum nicht mehr gefällt und auch, dass das Leben – so wie es gerade ist – nicht mehr meines ist.

Sie sagte zu mir: “Lauf nicht weg!”.

Ihre Reaktion überraschte mich.

Denn ich hatte gar nicht das Gefühl weg zu laufen.

Vielmehr wollte ich zu etwas hin.

Hin zu einem besseren Leben.

Sie meinte, meine Gedanken und mein Verhalten wären nicht altersgerecht.

Ich war damals 31 Jahre alt.

Und ich fragte mich, welche Gedanken und welches Verhalten denn mit 31 Jahren altersgerecht sind?

Ist es altersgerecht Träume aufzugeben?

Nicht mehr zu zweifeln?

Mich nicht mehr weiter zu entwickeln?

Mich anzupassen an die Umstände – ganz egal wie schrecklich ich sie finde?

Mich abzufinden mit dem Weg, den ich eingeschlagen habe, auch wenn er nicht mehr freudig zu gehen ist?

Leben ist auch Anpassung. Doch ist es sicher nicht sinnvoll, sich immer an die Umstände anzupassen.

Oft ist es viel sinnvoller die Umstände anzupassen.

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Leben nicht mehr zu dir passt, dass dir deine Arbeit keinen Spaß mehr macht und du nur noch mit Leuten zusammen bist, die dich nicht weiterbringen – oder dich sogar in eine gänzlich andere Richtung treiben – dann wird es Zeit die Umstände an dich anzupassen.

So war es jedenfalls bei mir.

Ich habe meinen Job wirklich gerne gemacht. Ich hatte Spaß an meiner Arbeit, ich war gut in dem, was ich tat. Mit meinen Kollegen kam ich bestens zurecht.

Aber irgendwann kam ein Zeitpunkt, da war das nicht mehr so. Irgendwie schien ich mich verändert zu haben. Ich kam immer öfter an einen Punkt, wo ich nicht mehr weiter wusste. Mir kamen immer öfter Zweifel.

Und ich wusste, ich konnte so nicht mehr weitermachen.

Ich stellte fest, dass ich mich in einem Anpassungsprozess befand und merkte, wenn ich jetzt noch einen Schritt weitergehe, dann bin ich nicht mehr ich. Ich werde zu jemand anderes. Und diese andere Person wollte ich nicht sein.

Damals fiel mir ein Spruch in die Hände:

Niemand anderer zu sein, als man selbst,in einer Welt, die es Tag und Nacht darauf anlegt, dich so zu formen, dass du wie alle anderen wirst,bedeutet, den schwersten Kampf auszufechten, den ein Mensch kämpfen kann; und nie mit dem Kämpfen aufzuhören

– Nancy Spungen –

Da merkte ich, dass ich mitten drin steckte in diesem Kampf.

Ganz unbewusst war ich da hineingeraten. Fast hätte ich es gar nicht bemerkt, mich einfach immer weiter angepasst.

Doch ich habe es bemerkt. Und seit dem es mir bewusst geworden war, konnte ich nicht mehr einfach weitermachen. Es musste sich etwas ändern.

Die Umstände mussten sich ändern.

Und ich denke, es ist genau andersherum, als meine Tante damals sagte.

Ich lief nicht weg.

Ich lies etwas hinter mir.

Ich war meinen Leben entwachsen. Ich hatte mich weiterentwickelt.

Das geht uns allen manchmal so. Dir auch.

Nur vielleicht gesteht du dir das nicht ein. Oder bemerkst es gar nicht.

Du bist vielleicht einfach nur unglücklich. Versuchst dein Unglück mit etwas zu kompensieren. Kommst aber nicht auf die Idee die Umstände deinem weiterentwickelten Ich anzupassen, sondern passt dich an die Umstände an.

Vielleicht, weil du denkst, dass das leichter ist.

Aber das stimmt nicht.

Vielleicht weil du denkst, dass das sicherer ist.

Aber das stimmt nicht.

Vielleicht, weil alle das so machen.

Weil andere dir sagen, es wäre un-erwachsen, dir deine Träume zu erfüllen.

Weil du Unverständnis erntest, wenn du die Umstände anzweifelst. Wenn du dir ein besseres, ein passenderes Leben wünschst.

Ja, das Leben ist ein Anpassungsprozess. Aber vergiss nicht, dass es auch andere Wege gibt.

Manchmal musst du einfach raus.

Raus aus alten Denkmustern. Raus aus der Schublade. Raus aus der Konformität. Raus aus der Angst.

Wir haben die Umstände meistens selbst geschaffen. Als wir uns für eine Ausbildung, ein Studium, einen Beruf, einen Job entschieden haben. Für Kinder, ein Eigenheim, ein Auto, einen Kredit.

Wir sind jung. Wir schlittern da so rein – und können die Konsequenzen eigentlich gar nicht überblicken.

Ist es da nicht erwachsen, wenn wir ab und zu Inne halten und prüfen, ob unser Leben eigentlich noch zu uns passt?

Ob es so verläuft, wie wir es uns vorstellen?

Ist diese Freiheit denn nur Kindern vorbehalten, die noch nicht wissen, was sie tun?

Müssen wir an einem einmal eingeschlagenen Weg auf Ewig festhalten?

Auch, wenn wir schon längst festgestellt haben, dass er uns nicht mehr gefällt?

Nein.

Leben bedeutet Veränderung, Fortschritt, Entwicklung. Veränderung, Fortschritt, Entwicklung aber geschehen nur dann, wenn ich bereit und imstande bin, zu verlassen, fortzugehen, Mangel bewusst zu erleben.

― Karl Sendler –

Wir Menschen haben Angst vor der Veränderung.

Wir wiegen uns in der Sicherheit des Altbewährten.

Wir träumen von einem besseren Leben, trauen uns aber nicht, dies auch in die Tat umzusetzen.

Wir halten viel zu lange am Bekannten fest, aus Furcht vor dem Unbekannten.

Warum?

Wir haben doch nichts zu verlieren – außer unserer Angst.

– Ton Steine Scherben –

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Kommentare zum Beitrag

37 Gedanken zu „Wir haben nichts zu verlieren – außer unserer Angst“

  1. Eigendlich hilft nur der Herzkompass, alles was man zu dem Thema denkt, für und wider, Sicherheit vs. Freiheit etc. sind Analysekunststückchen des Gehirns, völlig wertfrei und abgetrennt vom wirklichen Wollen, völlig entfernt von unseren ureigenen Wünschen und Träumen. Mit dem Kopf kann man die Entscheidung nicht treffen, aber bestimmte Vorkehrungen treffen, damit man nicht total Banane in jede Falle rennt. Wenn das Herz berührt wird, sind Schwierigkeiten einfach nur Herausforderungen. Viele Grüße.

    Antworten
  2. Danke für den wunderbaren Artikel. Mein Mann und ich sind auch auf der Suche nach… Ja…. Wonach?! Nach uns? Nach unserem Leben?… Keine Ahnung – aber wir wissen inzwischen : das Leben, das wir für passt nicht mehr zu uns.
    Wir wollen raus – und dein Artikel spricht mir absolut aus der Seele.

    Antworten
  3. Wunderbar! Übrigens geht das alles auch noch mit Mitte 50 und ganz allein (was ich niemals bin): Hinterfragen, Entscheidungen treffen und einfach losfahren. Dieses Jahr waren es drei Monate in Südfrankreich. Arbeiten von unterwegs und Leben mit allen Sinnen. Zurück in vier Wänden entrümpele ich grad mein Leben und bereite mich auf neue Abenteuer vor. Der richtige Zeitpunkt das Leben in die Hand zu nehmen ist Jetzt. Immer.

    Antworten
  4. Vor längerer Zeit habe ich diesen Artikel schon einmal gelesen und jetzt habe ich genau das gemacht….Job gekündigt – nur mit Vorfreude auf das was kommt, ohne Angst -. Manchmal muss man die Chancen ergreifen, die sich einem bieten und Gewohnheiten und Sicherheit hinter sich lassen. Mir geht es gut und ich habe ein tolles Gefühl dabei. Als ich nun heute Morgen den Artikel wieder gelesen habe, habe ich meine aktuelle Situation dort wieder entdeckt und fühle mich bestätigt alles richtig gemacht zu haben. Danke

    Antworten
  5. De leider kommen die meisten Menschen nicht raus aus ihrem Hamsterrad, ich würde auch gerne mit meiner Frau auf eine lange Reise gehen, aber bei man braucht schon einen gewissen finanziellen Background. Ein Fahrzeug kostet, Reparaturen, Diesel, all das muß ja irgendwie bezahlt werden.

    Antworten
  6. Ich bin gerade auch an so einem Punkt wo es nicht mehr weiter gehen kann. Werde bald 31 bin Verheiratet und wir haben ein Kind. Ich bin in einer Sackgasse, will auch nur noch ausbrechen und nur noch Reisen. Dein Artikel hat mir sehr geholfen. Vielen Dank.

    Gruß Martin

    Antworten
  7. Liebe Steffi, ein wunderbarer Artikel! Ich stoße immer wieder auf die gleichen Reaktionen wie du. Reisen als Weglaufen zu bezeichnen, das habe ich in den letzten Monaten oft erlebt. Oft kommt das von Menschen, die selbst gerne anders leben würden, aber sich ihren eigenen Käfig gebaut haben und tausende Gründe haben, die sie davon abhalten, ihr Leben zu leben. Tolle Gegenfragen, die ich gerne einmal anwenden werde ;)
    Lieben Gruß, Katrin von ilovetravelling

    Antworten
  8. Hallo Steffi!
    Danke für den super – schönen Artikel!!
    Deine Gedanken und Überlegungen in dieser Sache kommen mir sooooo bekannt vor ;-)
    Ich freue mich, daß es noch mehr Menschen gibt die eine „andere“ (richtige? bessere?) Sicht auf das Leben haben.
    Leider machen es uns unsere Umwelt, unsere Bekannten, Mitmenschen und Freunde nicht unbedingt einfach nach diesen Grundsätzen zu handeln und Entscheidungen zu treffen.

    Aber schließlich hat niemand behauptet, daß Leben würde einfach werden. . ;-)
    LG
    Sven

    Antworten
    • Hallo Sven!

      Vielen Dank für deinen Kommentar.

      Ich denke nicht, dass ich eine richtige, oder bessere Sichtweise auf´s Leben habe. Ich habe meine eigene :) – eben eine andere, genau :)

      Ist das nicht gerade das Schöne am Leben – das es nicht einfach ist ;)

      :)

      Antworten
  9. Wir waren 2,5 Jahre mit einem Bus und damals unserem kleinen Sohn in Lateinamerika unterwegs. Es war die beste Entscheidung unseres Lebens. Es hat so viele Erfahrungen gebrachte- insbesondere Ängste zu überwinden, Sicherheiten aufzugeben und das für eine Zeit frei zu sein. Jedem der ernsthafte Gedanken hegt ähnlich den Mainstream zu verlassen, würde ich nur bestärken in seiner Entscheidung. Man kommt anders von so einer Reise zurück- materielle Dinge rückten noch weiter in den Hintergrund als sie ohnehin schon waren. Ich bin sehr wählerisch geworden, mit welchen Menschen ich mich umgebe. Vieles können andere nicht nachvollziehen, die das Hamsterrad noch nie verlassen haben, das ist auch immer leicht. Es war auf jeden Fall, die schönste und intensivste Zeit in meinem Leben. Und sicher nicht das letzte Mal..
    http://www.vollepulle.net
    Katrin

    Antworten
    • Hallo Katrin,
      sehr schöne Denkanstöße. Komfortzone, Hamsterrad und Angst sind die Vorgaben unserer Gesellschaft. Du hast es sehr schön auf den Punkt gebracht. Viel Spaß bei der nächsten Planung beim Ausbruch aus der Komfortzone.
      LG Charly

      Antworten
  10. Hallo Steffi,

    vielen Dank für den Artikel. Das sind ja genau die Gedanken, die mir so jetzt einige Monate vor dem entscheidenden Schritt durch den Kopf gehen…

    Antworten
  11. Solch“ Kopfschüttler“- Menschen begegnen mir, in solch ähnlicher Situation, momentan zu genüge… Man bin ich froh, Vorhaben zu starten, anstatt an dem sicheren und gewohnten festzuhalten! Das was dabei gelernt wird, die Art der horizonterweiterung und Überraschungen sind nicht zu ersetzen! Weiter machen…

    Antworten
  12. Klasse. Ehrlich ausgesprochene Worte – entdecke mich in deinen Worten wieder. Gedanken die mir durch den Kopf gehen und von Zeit zu Zeit lauter werden…

    Antworten

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