Mit dem Wohnmobil in den Ruhner Bergen: Entdecke versteckte Endmoränen, den Aussichtsturm mit Weitblick über die Prignitz, die Wüstung Ruhn und lebendige Dorfkultur bei Quellfest & Adventsblasen.
Wer mit dem Wohnmobil durch die Prignitz reist, findet in den Ruhner Bergen eine überraschende Ruhe – und doch ein Stück lebendiger Geschichte. Nicht weit von der A24, zwischen Hamburg und Berlin, lädt der Aussichtsturm Ruhner Berge (Punkt J auf dieser Karte) zu einem Zwischenstopp mit Weitblick ein. Von dort oben, nach Süden schauend, liegt dir die Prignitz zu Füßen. Die Ruhner Berge sind ein kleines Wandergebiet – ideal für einen Einstieg in deinen Roadtrip durch die Prignitz.
🎧 Stimmen aus der Region
Viele der Informationen in diesem Artikel stammen aus einem eindrucksvollen Radiobeitrag von Deutschlandfunk Kultur, in dem u. a. Gerd Jaenicke, Gerda Vienhus und Amtsleiter Gerd Holger Golisz zu Wort kommen. Die Sendung erzählt von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Region – und ist hier nachzuhören.
Anfahrt mit dem Wohnmobil
Die Prignitz liegt genau zwischen Hamburg und Berlin. Nimm die A24 und fahre in Suckow (Abfahrt 16) ab. Dann über Suckow nach Marnitz. In Suckow links abbiegen auf die Grabower Straße und dann gleich wieder links auf die Ruhner Straße. Die Straße führt über die Autobahn und bringt dich direkt zum Aussichtsturm Ruhner Berge. Dort beginnt ein kleines Wanderparadies.
Ein Idyll mit Brüchen
Die Ruhner Berge sind eine Endmoräne aus der letzten Eiszeit – zehn Kilometer lang, sichelförmig, bewachsen mit Buchen, Eichen, Kiefern. Wer hier spazieren geht, taucht in eine stille Welt ein: Schmale Wege führen durch den Mischwald, kleine Bäche gluckern durch Erlengehölze, zwischendurch öffnet sich der Blick über die Felder. Nur die Autobahn lärmt in der Ferne – ein brutaler Einschnitt, der seit 1981 das alte Bergdorf Ruhn von der Welt abgeschnitten hat. Heute steht dort nichts mehr. Nur ein Pavillon mit ein paar Infotafeln erinnert an das verschwundene Dorf.
Ruhn war einst ein Angerdorf mit Gutshaus, Ställen und etwa 60 Einwohnern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Ostvertriebene angesiedelt, später errichtete die DDR eine streng bewachte Abhörstation. Mit dem Autobahnbau war das Dorf endgültig isoliert – die Bewohner zogen weg, die Häuser verfielen, das Dorf wurde abgerissen.
Aussichtsturm und Quellfest
Zentrum der Region ist Marnitz, ein Ort mit Geschichte – und mit Gerd Jaenicke. 91 Jahre ist er alt und kennt hier jeden Stein. Früher, sagt er, war Marnitz voller Handwerker. Und die Ruhner Berge lieferten das Holz. Heute kehren die Auswärtigen zurück – nicht mehr mit Pferdewagen, sondern mit Wanderschuhen und Fahrrädern.
Oben auf dem Hügel thront der knapp 40 Meter hohe Aussichtsturm Ruhner Berge, erbaut aus gelbem Kanalklinkerstein. 180 Stahlstufen führen als Wendeltreppe hinauf zur Plattform. Bei gutem Wetter reicht der Blick bis zur Müritz. Und im Advent steigen sogar Bläser hinauf, um von oben Weihnachtslieder zu spielen.
Jedes Jahr im Sommer wird hier wieder das Quellfest gefeiert – einst der Höhepunkt des Marnitzer Kulturlebens, dann vergessen, jetzt neu belebt. Früher fand es direkt an einer Quelle im Wald statt. Heute spielt das Blasorchester auf einer Wiese hinter der Autobahn, Bratwurstduft liegt in der Luft, Kinder rennen zwischen Biertischen. Wer mag, kann den Riesen Ram treffen – eine Sagengestalt, die einst mit Steinen Dörfer zertrümmerte und am Ende selbst unter einem begraben wurde.
Geschichte und Geschichten
Der Wald war immer mehr als nur Erholungsort. Früher holten sich die Armen hier Feuerholz, zweimal die Woche durften sie sammeln, was heruntergefallen war. Und er war ein Wirtschaftsfaktor – Stellmacher, Tischler, Zimmerleute arbeiteten mit dem Holz der Ruhner Berge. Heute erinnert sich kaum noch jemand daran, außer Menschen wie Gerda Vienhus. Sie kam nach dem Krieg nach Ruhn, damals ein kleines Angerdorf, später von der DDR aufgegeben. „Ein Idyll zum Verzweifeln“, sagt sie. Landschaftlich schön, landwirtschaftlich mager. Mit der Autobahn kam das Aus.
Ruhner Land – eine Region erfindet sich neu
Doch es regt sich etwas. In Ziegendorf, einem der Dörfer am Fuße der Ruhner Berge, hat man begriffen, dass man nicht auf Hilfe von außen warten darf. Die Menschen dort haben gemeinsam ihren Dorfplatz gestaltet, das alte Pfarrhaus saniert, eine Ideenschmiede gegründet. Heraus kam das Projekt „Ruhner Land“: ein Netzwerk der kleinen Orte, quer über die Landesgrenze hinweg. Sanfter Tourismus, solidarisches Miteinander, regionale Produkte – so lautet die Vision. Erste Idee: ein Bienen-Highway – ein durchgehender Blühstreifen von Dorf zu Dorf.
Noch steckt vieles in den Kinderschuhen. Aber wer heute mit dem Wohnmobil in die Ruhner Berge fährt, spürt: Hier ist eine Region nicht nur am Kämpfen, sondern auch am Träumen. Von einem Leben in Gemeinschaft, im Takt der Natur – mit weitem Blick über alte Hügel und neuen Wegen.
Tipp für Wohnmobilreisende:
- Stellplatz: kleiner Platz hinter dem Gasthof in Marnitz oder direkt am Aussichtsturm (Punkt J)
- Versorgung: frische Brötchen im Dorfladen in Marnitz
- Erleben: Wanderung zum Turm und zur Quelle, Rundgang zur Wüstung Ruhn, Lehrpfad durch die Ruhner Berge
- Highlight: Quellfest im Sommer & Adventsblasen vom Turm im Dezember