Ohne Profi-Ausrüstung: Mit dem Rad von Deutschland nach Schweden

***Ein Gastartikel von Laura*** Laura hatte weder ein Profi-Rad noch ein dichtes Zelt dabei. Sie schlief bei Bauern und Couchsurfern. Arbeitete auf Bio-Höfen. Eine Motiviaton.

Ich war 19 und kam gerade von meinem fünfmonatigen Freiwilligendienst in Kenia zurück. Meine Eltern dachten, das eine Jahr Auszeit hätte mir gereicht und ich würde ihnen gleich sagen, welches Studium ich anpacken wollte. Stattdessen erklärte ich, dass ich in zwei Monaten wieder aufbrechen würde.

Mit dem Fahrrad. Nach Schweden. Und dann mal sehen.

Mit dem Rad nach Schweden

Die Idee

Die Idee zu dieser Fahrradtour kam mir schon in Kenia.

Schweden war schon immer Sehnsuchtsziel gewesen. Ich hatte von WWOOF.net gehört, einer Plattform für freiwillige Arbeit auf Biohöfen. Das interessierte mich sehr. Und weil ich gleich los wollte und mir nicht erst ein Reisebudget zusammensparen, kombinierte ich Fahrrad, Couchsurfing, WWOOF und Campen.

Noch dazu nutzte ich diese ungewöhnliche Art des Reisens, um Geld für zwei Projekte in Kenia zu sammeln.

Vorbereitung

Am 2. Juni sollte es losgehen, womit mir zwei Monate zur Vorbereitung blieben.

Die lief sehr gut: Ein Fahrrad hatte ich. Einen Schlafsack auch. Ein Zelt ersteigerte ich für 17 Euro auf Ebay. Fahrradtaschen lieh ich von meiner Mutter. Einen Rucksack von Bekannten. Fahrradkarten druckte ich bei radweit.de aus.

Mit dem Rad nach Dänemark

Mein Vater zeigte mir in unserer Einfahrt, wie man Fahrradreifen wechselt. Das hatte ich bisher noch nicht gemacht.

Bei der Zelteinweihung im Garten stellte sich heraus, dass das Zelt nicht richtig dicht war. Darum nahm ich noch eine Abdeckfolie aus dem Baumarkt mit.

Und dann ging es los.

Mit dem Rad nach Dänemark

Von meinem Elternhaus in der Nähe von Ulm über Stuttgart, Frankfurt, Kassel, Hannover, Hamburg und Kiel erstmal nach Flensburg.

Ich fuhr jeden Tag zwischen 50 und 70 Kilometer.

Manchmal übernachtete ich bei Couchsurfern. Wo ich keinen Gastgeber gefunden hatte, ging ich auf Bauernhöfe und fragte, ob ich auf deren Feld wohl mein Zelt aufschlagen dürfte. Dadurch lernte ich nette Menschen kennen, die mich bei sich duschen ließen oder mich zum Frühstück einluden.

Ich erinnere mich an viel Gegend. Viele Kieswege durch Felder, und oft an Flüssen entlang, weil in Flusstälern die Fahrradwege einfach schön flach sind.

Ich aß meistens Obst und Gemüse aus dem Supermarkt. Ich kaufte Joghurt, Brot und Käse. Ich kann mich nicht daran erinnern, in Restaurants gegessen zu haben.

Als ich Südkind kurz vor Kiel das Meer sah, beschloss ich, die Nacht am Strand zu verbringen und wild zu campen. Das war meine Art von Abenteuer, meine Art von Freiheit.

Mit dem Rad nach Dänemark

Die dunkle Seite

Auf dieser Reise habe ich eines gelernt: Der Spruch Happiness only real when shared aus dem Buch Into the Wild trifft auf mich absolut zu.

Ich bin eher introvertiert und brauche viel Zeit für mich. Aber die Abende alleine im Zelt, wenn es zu frisch war, um sich draußen aufzuhalten, und im Zelt zu dunkel um zu lesen, waren hart.

Ich freute mich immer sehr, wenn wieder mal eine Begegnung mit einem Couchsurfer anstand. Einfach der Austausch, das Gespräch, Feedback zu bekommen, war für mich in diesem Sommer so rar gesät, dass ich es heute nicht mehr missen möchte.

Alles, was ich in diesem Moment besaß, passte auf wenige Quadratmeter auf einem Feld. Darum blieb mein Herz fast stehen, als ich eines Morgens aus dem Zelt krabbelte und mein Fahrrad verschwunden war. Ich hatte das hintere Rad sogar mit einem Schloss blockiert.

Glücklicherweise fand ich es schnell wieder. Jemand hatte sich wohl einen Spaß erlaubt und mein Rad außer Sichtweite geschleppt. Außerdem war der Saftkarton aus meinem Fahrradkorb verschwunden.

Ich weinte, weil der Saft für mich Luxus war, und weil ich mich von irgendwelchen Quatschköpfen so hatte erschrecken lassen.

Mit dem Rad nach Dänemark

Medienauftritte

Ich schrieb immer wieder Radiosender und Lokalzeitungen an, um von meiner Reise zu berichten. So gab es einen Radiobericht und ein Zeitungsinterview mit mir.

Das machte ich vor allem, um auf die Projekte in Kenia hinzuweisen. Es war ein grandioses, überwältigendes Gefühl, als ich auf meinen Kontoauszügen vom Automaten Beträge von mir fremden Menschen fand, die für die Projekte gedacht waren.

Ich hatte keine Organisation gegründet und kein Spendenkonto eingerichtet. Alles, was ich erlebte, teilte ich lediglich auf einem Blog, wann immer ich mal an jemandes Computer durfte.

Diese Unterstützung und der „größere Sinn“ hinter der Tour halfen mir in den sehr seltenen Momenten, in denen ich keine Lust mehr hatte, weiterzustrampeln.

Dänemark

Mit dem Rad nach Dänemark

Nach 24 Tagen war ich in Flensburg angekommen.

Der offizielle Teil der Spendentour war beendet. Auf meinem Blog dankte ich allen Unterstützern und freute mich darauf, nicht mehr regelmäßig berichten zu müssen.

Die Weiterreise sollte langsamer werden, da ich mit dem WWOOFen begann. Ich hatte Kontakt zu ein paar Bauernhöfen aufgenommen, die mich für Kost und Logis bei sich arbeiten lassen würden. Dazu muss man aber sinnvollerweise mindestens eine Woche an einem Ort bleiben.

Also radelte ich mal eben so von Deutschland nach Dänemark. Der ausgeschilderte Radweg führte durch den Wald und erst, als die Verkehrsschilder plötzlich anders aussahen, merkte ich, dass ich einfach so in Dänemark gelandet war. Ich pries das Schengen-Abkommen und durchquerte Dänemark in mehreren Wochen mit Zwischenstation auf Höfen und in Kopenhagen.

Dort, in dieser Fahrrad-Hauptstadt, lernte ich sogar ein neues Handzeichen für Radler. Neben Rechts- und Linksabbiegen gibt es dort auch noch den erhobenen Arm, was wohl soviel heißt wie: „Achtung, ich halte gleich an.“ Quasi das Bremslicht fürs Fahrrad.

Schweden

Die Öresundbrücke von Kopenhagen nach Malmö überquerte ich an Bord des Zuges, weil es dort keinen Fahrradweg gibt.

In Schweden war nun endlich wild campen erlaubt. Das kam mir sehr gelegen, weil die Distanzen zwischen den Höfen größer wurden. Manchmal dauerte es mehrere Tage, bis ich den nächsten Hof erreichte.

Ich legte nach wie vor die meisten Kilometer mit dem Rad zurück und schlief im Zelt, das inzwischen sehr marode war. Die Stangen waren gebröckelt oder sogar gebrochen und ein paar Nähte schon gefährlich lose.

Ich radelte durch die pure Gegend. Hauptsächlich Nadelwälder. Das spezielle Licht darin habe ich in keinem anderen Land wieder gefunden. Es hat eine ganz spezielle Klarheit und Schärfe, die mich selbst jetzt, wo ich nach so langer Zeit nur darüber schreibe, noch ein bisschen melancholisch stimmt.

Ich schaffte es mit der Hilfe einiger Zugfahrten bis auf die Höhe von Uppsala. An den genauen Ortsnamen kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern, weil es ein so kleines Dorf war.

Ich habe in dreieinhalb Monaten gute 2.000 Kilometer fast ausschließlich mit dem Fahrrad zurückgelegt.

Dann wurde es mir zu kalt. Der September ist in Schweden bereits Nachsaison und überhaupt recht frisch, je nördlicher es geht. Für mich sollte es noch nördlicher gehen. Also baute ich mein Fahrrad auseinander, verpackte es und brachte es zur Post. Dort musste ich es erst nochmal aus- und umpacken, damit es den Post-Bestimmungen entsprach.

Dann schickte ich es zurück nach Deutschland, weil das günstiger war, als für den Verkaufspreis ein ähnlich gutes Fahrrad in Deutschland zu kaufen. Als ich zwei Monate später nach Hause kam, hatte mein Vater alles schon wieder zusammengebaut. Zwei kleine Schrauben blieben allerdings übrig, und wir wissen bis heute nicht, wohin sie gehörten.

Mein Zelt war nicht mehr zu retten. Ich warf es weg und trampte bis nach Sundsvall. Von dort setzte ich die Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln fort: Finnland, Baltikum, Warschau, Prag.

Warum ich das hier schreibe

Obwohl die Reise schon eine Weile her ist, zehre ich nach wie vor von ihr.

Ich habe, wie gesagt, die Gesellschaft von Menschen schätzen gelernt. Aber mir ist in den einsamen Nächten im Zelt auch aufgegangen, dass ich gut alleine sein kann und das auch brauche.

Aber die Motivation, die ich dir hier mit auf den Weg geben möchte, ist folgende:

Kein Geld für Profi-Ausrüstung zu haben ist keine Entschuldigung dafür, nicht zu reisen!

Ich habe mit meinem normalen Fahrrad und einem 17-Euro-Zelt gute 2.000 Kilometer in drei Ländern zurückgelegt. Und das schreibe ich hier nicht, um damit anzugeben.

Ich möchte dich damit ermutigen, zu reisen.

Reisen im Sinne von dich fortbewegen, dich weiterbewegen.

Selbst in Deutschland ist es schön und es gibt viel zu entdecken. Besonders in unspektakulären Winkeln, in denen es sich bestens Radeln lässt.

Mit dem Rad nach Dänemark

Die meisten Menschen hier und überall auf der Welt sind ungeheuer freundlich. Sie werden dich bei sich aufnehmen, wenn du freundlich fragst.

Du brauchst nicht viel für deine nächste Reise. Du musst es mir auch nicht gleichtun, ganz und gar nicht. Geh oder fahr einfach los, mit offenem Herzen, und lass dich überraschen!

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Laura liebt es, durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Menschen zu wachsen.

Sie glaubt fest daran, dass Achtsamkeit und Ehrlichkeit über eigene Privilegien und Vorurteile die Reiseerfahrungen nur vertiefen. Für sie ist jede Reise ein Schritt – und jeder Schritt eine Reise.

Auf mind-set-travel.com inspiriert sie mit ihren authentischen Geschichten und bereitet dich auf deine nächste verantwortungsbewusste Reise vor.

Du findest sie außerdem auf FacebookYoutube und Instagram.

Ihr neustes Projekt ist VorFreudeBereitung, eine Email-Serie, die dich genau zum richtigen Zeitpunkt umfassend auf deine Reise vorbereitet.

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Kommentare zum Beitrag

2 Gedanken zu „Ohne Profi-Ausrüstung: Mit dem Rad von Deutschland nach Schweden“

  1. Guter Bericht!
    Bin 79. Und fahre naechste Woche von Muenchen mit demCube kathmandu e-bike nach Stockholm, witer nach Bengtsfors zum 10 taegigen Kajak fahren. Jede Reise bildet-
    Im Alter ist auch etwas Komfort erlaubt.

    Antworten

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